Call for Papers – Text und Bild in der jüdischen Literatur

Deadline: 31. Mai 2018

von Victoria Laszlo

Die Gesellschaft für europäisch-jüdische Literaturstudien (EJLS) veranstaltet in Kooperation mit der Professur für Literatur- und Kulturwissenschaft der ETH Zürich eine internationale Konferenz zum Thema Text und Bild in der jüdischen Literatur. Die Konferenz wird vom 26.-28. November 2018 an der ETH Zürich stattfinden. Tagungsleiter ist Prof. Dr. Andreas B. Kilcher. Es ist die siebte Konferenz der EJLS.

Einer kanonischen Vorstellung nach ist die jüdische eine Kultur der Schrift, während in ihr das Bild eine untergeordnete, wenn nicht gar negative Rolle spielt. Das wird zum einen mit dem biblischen theologischen Bilderverbot begründet, wonach – archetypisch gegen die „ägyptische Idolatrie“ gewendet – Gott als erhaben, undarstellbar, unabbildbar gilt. Zum anderen wurde die jüdische Kultur durch die immer neue historische Diasporaerfahrung zu einer Kultur der  Literatur, deren eigentliche „Heimat“ das „portative Vaterland“ (Heine) des Buches ist. Es stellt sich jedoch die Frage, ob diese theologisch wie historisch begründete Konkurrenz der beiden Medien von Schrift und Bild auf diese Weise für das Judentum nicht vorschnell behauptet bzw. generalisiert wird, ob sie nicht vielmehr zu differenzieren und zu revidieren ist. Die Frage ist zum einen, ob das Bild als solches nicht doch eine grössere und positive Bedeutung in der jüdischen Kultur hat, eine eigene Dignität an der Seite der Schrift. Zu fragen ist zum zweiten aber vor allem auch, ob diese Medien-Dichotomie nicht grundsätzlich falsch ist, ob mithin Schrift und Bild nicht vielmehr eng aufeinander bezogen und in einander verwoben sind.

Diese Fragen sollen auf der Tagung nicht nur allgemein, kultur- wie ästhetik-theoretisch gestellt werden, sondern insbesondere auch am historischen Beispielfeld der modernen jüdischen Literatur und Kultur. Dabei geht es weniger um die historische These, dass in der Moderne die theologische Begründung des Bilderverbots an Geltung verlor bzw. in der Aufklärung zu einer philosophischen Kritik der „Idolatrie“ umgedeutet wurde. Vielmehr geht es um eine grundsätzliche systematische Öffnung der Literatur für das Bild und vice versa des Bildes für die Schrift. Dass die jüdische Literatur – prototypisch schon in den Salomonischen Gleichnissen – Bilder sprachlich beschreibt und den abstrakten Text dergestalt verbildlicht, kann dafür eine Ausgangslage sein. Doch nicht nur um imaginäre Schriftbilder wie Parabeln und Metaphern soll es gehen, sondern auch um die Konstellation der materialen Medien von Schrift und Bild, von Literatur und Kunst.

Wenn wir diese systematische Ausgangsalge sodann mit einer historischen These verbinden wollen, so lässt sich immerhin so viel sagen, dass dieses Verhältnis in der Moderne durch den Autoritätsverlust des Bilderverbots zumindest entspannter geworden ist. Daher u.a. auch der Akzent auf diese Epoche. Dennoch soll auch ins Bewusstsein gerückt werden, dass es auch eine emphatische vormoderne Bildkultur mitten in der jüdischen Schriftkultur gibt, konkret in der reichen Praxis der Kalligraphie und Handschriftenillumination. Beispiele dafür finden sich – neben der Haggada – insbesondere in der magischen und kabbalistischen Literatur, in der Schrift und Buchstaben auch als Bilder eine besondere Bedeutung erhalten. Auf Amuletten, wie sie u.a. im Chassidismus bis weit ins 19. Jahrhundert hergestellt wurden, ist die Kontextur von Schrift und Bild aufs höchste verdichtet.

Wenn wir sodann von der emphatischen religiösen Schrift-Bild-Kultur in die Literatur der Moderne übergehen, so ist diese Kontextur allerdings nicht nur von der Schrift, sondern auch vom Bild her zu denken. Zum einen kann unter dem Vorzeichen einer nunmehr nicht mehr magischen, sondern poetologischen Überdetermination die Schrift ihrerseits Bildcharakter annehmen und gewissermassen zu einer hieroglyphischen Bilderschrift werden, indem ihre Zeichen sowohl in ihrer symbolischen Funktion als auch in ihrer physischen ästhetischen Erscheinung bedeutsam und wirksam werden. Die Schrift wird hier Bild, sei es als quasi-magisches Zeichen, sei es als ästhetisches Ornament. Das erklärt auch die poetologische Rezeption und Adaption der Kabbala in der modernen jüdischen Literatur (und darüber hinaus). Beispiele für diese Beschreibung und den bildhaften Einsatz von Schrift und Zeichen – auch, aber nicht nur des Hebräischen – finden sich von Heinrich Heine bis Franz Kafka, Yvan Goll oder Paul Celan.

Zum anderen kann – nun auch vom Bild her gedacht – das Bild an die Seite der Schrift treten, Textur werden und mit ihr zu einer komplexen narrativen oder imaginären Einheit verbunden werden. Die „Renaissance der jüdischen Kunst“ (Martin Buber) im Kontext des Kulturzionismus um 1900 ist ein markantes modernes Beispiel dafür. Ob sie dabei an eine ältere jüdische Kunst anschliessen kann, wäre zu fragen. Selbstbewusst wurden aber vor allem um 1900 nicht nur eine „jüdischen Kunst“ neu behauptet, sondern mit ihr zugleich auch vielfältige Kooperationen zwischen Schriftstellern und Künstlern angestrebt. Besonders sichtbar wurde dies zum einen in bibliophilen Buchprojekten jüdischer Verlage (wie Gurlitt Verlag, Welt-Verlag, Benjamin Harz), zum zweiten in illustrierten jüdischen Zeitschriften zu Literatur und Kunst (etwa „Ost und West“ oder „Das Zelt. Eine jüdische illustrierte Monatsschrift für Kunst, Literatur und Wissenschaft“) nach 1900. Besonders sichtbar im deutschsprachigen Raum war dabei die Zusammenarbeit u.a. zwischen Ephraim Moses Lilien und Morris Rosenfeld, Hermann Struck und  Arnold  Zweig  sowie  Joseph  Budko,  Jacob  Steinardt und Arno Nadel. An der Seite dieser Kooperationen steht die kongeniale und künstlerisch bewusste Verbindung von Schrift und Bild in singulären Werken, namentlich etwa bei Else Lasker-Schüler oder Uriel Birnbaum.

Nicht zuletzt soll auch die Verbindung von Schrift und Photographie in den Blick genommen werden, die diese komplexe Textur um ein neues technisches Medium erweitert. Beispiele dafür sind etwa die Montagetechniken bei Moishe Vorobeichic (u.a. Ghetto von Wilna) oder Sasha Stone (u.a. Benjamins Einbahnstrasse), die die literarische Text-Bild-Montage (wie etwa bei Alfred Döblin) in ein neues technisches Medium überführen. Mit dem neuen, für die Vervielfältigung im Druck besonders vorgesehenen Medium der Photographie werden Schrift und Bild noch enger aneinander geführt.

Wir bitten um Vortragsvorschläge (300-500 Wörter) mit einer kurzen biografischen Notiz und/oder Rückfragen bis zum 31. Mai 2018 an folgende Mailadresse: Konferenzsprachen sind Deutsch und Englisch. Die Vorträge sollen eine Länge von 25 Minuten nicht überschreiten. Es ist vorgesehen, dass Übernachtungskosten getragen werden, Reisekosten werden nach Möglichkeit erstattet.

DownloadCfP deutsch und englisch (PDF, 154 KB)

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